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Copyright Bartók-Archiv, Institut für Musikwissenschaft der
Ungarischen Akademie der Wissenschaften, 2004-2005
„eine Art ideal erdachte Bauernmusik“
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In seinen Kompositionen entwickelte er Themen [auf dem
Basis der von ihm gesammelten Volksmusik], vermischte
Volksmusik und Kunstmusik,
bzw. schuf auch neue, aber genauso wertvolle Motive, was
von Serge Moreux sehr richtig als folklore imaginaire
bezeichnet wurde.
Louis Durey, Hommage à Béla Bartók,
in: Béla Bartók. L’Homme et l’Oeuvre, Sonderheft
von La Revue Musicale, Nr. 224 (1955), S. 10.
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Die auf dem Programm stehende Tanz-Suite ist eines
meiner neuesten Werke, ich habe es im Sommer
geschrieben. Sie besteht aus fünf Teilen, die attacca
ohne Pause aufeinander folgen. Alle fünf Tänze haben
originale, volkstümliche aber keine eigentlichen
Volksthemen, und statt einer Unterbrechung habe ich
zwischen den Tänzen ein kurzes Ritornell verwendet. Ein
solches Ritornell ist zwischen dem ersten und zweiten,
dem zweiten und dritten, sowie zwischen dem vierten und
fünften Satz. Nach dem fünften Satz oder Tanz kommt
ebenfalls attacca ein finaleartiger Teil, in dem alle
vorherigen Themen wiederkehren.
Bartók, Tanz-Suite (1923), in:
Bartók Béla Írásai [Die Schriften von Béla Bartók],
Bd. 1,
hrsg. von Tibor Tallián, Budapest, 1989, S. 66
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Ziel des ganzen Werkes war es nämlich,
eine Art ideal erdachter Bauernmusik, ich könnte sagen,
erdichtete Bauernmusiken nebeneinanderzustellen, so daß
die einzelnen Sätze bestimmte musikalische Typen
darstellen. – Als Modell diente die Bauernmusik
verschiedener Nationalitäten: ungarische, walachische,
slowakische und auch arabische, zuweilen kam es sogar
zur Überschneidung dieser Arten. So erinnert zum bispiel
die Melodik des ersten Themas im ersten Satz an
primitive arabische Bauernmusik, seine Rhythmik jedoch
an die osteuropäische Volksmusik. [...] Das Ritornell
stellt eine so folkloregetreue Nachahmung gewisser
ungarischer Volksmelodien dar, daß es betreffs seiner
Herkunft sogar äuerst bewanderte Musikfolkloristen
täuschen könnte.
Bartók über die
Tanzsuite (1931), zitiert nach
Tibor Tallián, Béla Bartók. Sein Leben und Werk,
Budapest, 1988, S. 155f
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Wie kann der Einfluß der Bauernmusik in der höheren
Kunstmusik in Erscheinung treten?
Vor allem in
der Weise, daß wir die Bauernmelodie ohne jedwede
Veränderung oder nur wenig variiert mit einer Begleitung
versehen und evenetuell noch mit einem Vor- und
Nachspiel einfassen. Solche Arbeiten weisen einige
Ähnlichkeiten mit Bachs Choralbearbeitungen auf. [...]
Eine andere
Erscheinungsart des Einflusses der Bauernmusik ist
folgende: Der Komponist verwendet keine echte
Bauernmelodie, erfindet anstatt dessen selbst irgendeine
Bauernmelodien-Imitation. Zwischen dieser und der oben
beschriebenen Methode besteht im Grunde kein
wesentlicher Unterschied. [...]
Schließlich
kann sich die Einwirkung der Bauernmusik in den Werken
des Komponisten noch auf eine dritte Weise bemerkbar
machen: wenn er zwar weder Bauernmelodien noch ihre
Imitationen verarbeitet, seiner Musik jedoch dieselbe
Atmosphäre entströmt wie der Bauernmusik. In diesem Fall
kann gesagt werden, daß der Komponist die Musiksprache
der Bauern erlernt hat und sie so vollkommen beherrscht
wie ein Dichter seine Muttersprache.
Bartók, Vom Einfluß der Bauernmusik
auf die Musik unserer Zeit (1931),
in: Béla Bartók. Weg und Werk, hrsg. von Bence
Szabolcsi, Budapest, 1972, S. 169ff
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Die Ehre des Festivals wurde größtenteils durch das
letztaufgeführte Werk gerettet. Dies war Béla Bartóks
Tanz-Suite, komponiert vor zwei Jahren für die
Festlichkeiten zum Andenken der Vereinigung von Buda und
Pest. Es ist schwierig vorzustellen, dass Bartók einmal
Musik schreiben könnte, die nicht bis in die feinsten
und unmittelbarsten Effekte auf die höchste Art
herausgearbeitet wäre. Seine Gedanken sind voll kleiner
Verwicklungen, die während der Aufführung mit
bewundernswerter Disziplin ihren richtigen Platz finden.
Mögen sich zwar Rhythmen, Farben und Akzente verwickeln
– aber wie einzigartig und hellsichtig ist der
überwachende Geist! In dieser Suite gibt es manche
dunklen Gedanken; sie scheinen absichtlich verdunkelt zu
sein, denn kurz darauf kommt ein Blitz, der sogar die
verborgensten Winkel der Partitur erhellt. Das Thema des
Ritornells wird kapriziös verwendet, um eine Kontinuität
zu verschaffen, und am Ende werden alle elementaren,
barbarischen Kräfte entfesselt, die im Grunde genommen
die Quelle von Bartóks Inspiration ausmachen. Wo findet
man unter den zeitgenössischen Musikern noch einen so
schnellen und brillanten Geist?
Basil Maine, The Prague Festival,
in: The Music Bulletin 7, Nr. 6 (1925), S. 157
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.Schließlich möge am
Ende des Konzerts ein wahres Meisterwerk ertönen, Béla
Bartóks Tanz-Suite, eine geistvolle Musik, so
farbenprächtig wie einige wunderbare magyarische
hausgewebte Stoffe, eine Musik von atemberaubender
Technik und zugleich von raffinierter, jedoch spontaner
und bezaubernder Poesie. Selten hat mich etwas in den
letzten Jahren mit seiner Schönheit und sowohl
geistlicher als auch technischer Vollkommenheit so tief
beeindruckt.
Alfredo Casella, “Lettera da Praga,”
Il Pianoforte 6,
Nr. 5 (1925), 195
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